Der 74. Berliner Panzerschoppen.
- von Thomas Jakstadt und Oliver Dellschau
74. Berliner Panzerschoppen
Das deutsche Heer als lernende Organisation, 1943 bis 2023
Der 74. Panzerschoppen fand in den Räumen der Niederlassung der Reinmetall AG am Brandenburger Tor / Pariser Platz statt. Herr Prof. Dr. Sönke Neitzel hatte als Vortragender sicherlich einen großen Anteil daran, dass alle Plätze in dem Versammlungssaal der Reinmetall AG besetzt waren.
Herr Prof. Dr. Neitzel stellte sich zunächst zusammen mit Herrn Oberst d.R. Oliver Dellschau selbst kurz vor und wies darauf hin, dass er der einzige ordentliche Hochschulprofessor in Deutschland sei, der im Bereich Militärgeschichte forschen und lehren würde. Dahingegen gäbe es ca. 20 Lehrstühle, die sich mit dem Aspekt des Genderns auseinandersetzen würden.
Zunächst brachte der Vortrag einen sehr verständlichen und interessanten Abriss über die grundsätzlichen Organisationsstrukturen des deutschen Heeres während der Kaiserzeit, in der Reichswehr, in der Wehrmacht und letztendlich in der Bundeswehr. Es wurde dabei angeführt, dass die Bundeswehr aktuell ganz grundsätzlich ihre Strukturen von den Auslandseinsätzen nun zur Landesverteidigung hin umstellen muss. Herr Bundesminister der Verteidigung Boris Pistorius habe deswegen auch wieder einen Planungs- und Führungsstab eingerichtet, einige Hauptabteilungen werden beschnitten und insgesamt die Personalressourcen im Ministerium zu Gunsten der Truppe verkleinert.
Der Vortragende deutete des Weiteren darauf hin, dass er insbesondere bei hohen Generälen der Bundeswehr öfter erwarten würde, dass sie bei offensichtlich fehlerhaften militärpraktischen und militärtechnischen Entwicklungen der Politik entgegentreten würden. Nach seiner Kenntnis haben bisher in der Geschichte der Bundeswehr nur zwei hochrangige Generäle aus eigener Entscheidung heraus ihren Abschied genommen.
Bei Effizienzbetrachtungen könne der aktuelle Bestand der Bundeswehr mit höchstens 150.000 Soldatinnen und Soldaten fixiert werden. Realistischerweise müsste man alle Kameradinnen und Kameraden mit nicht ausreichenden Fitness- und Gewichtskriterien herausrechnen. Er wies darauf hin, dass es im französischen Offizierskorps keine Kameradinnen und Kameraden mit einem kritischen BMI geben würde. Dem einmal als designierten zukünftigen Bundesminister der Verteidigung eingeschätzten Dr. Peter Tauber ist nachgesagt worden, dass er bei einer Tagung mit Generälen die Anweisung ausgesprochen hätte, wer nicht morgens um 5 Uhr zum Langstreckenlauf antreten und diesen auch durchstehen würde, müsste mit seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand rechnen.
Prof. Dr. Neitzel ließ keine Zweifel dahingehend aufkommen, dass der dringend notwendige Aufwuchs des deutschen Heeres in der Bundeswehr nur im Rahmen einer Struktur basierend auf einer Wehrpflicht denkbar wäre.
Zudem machte er darauf aufmerksam, dass Russland unter Putin mit großer Geschwindigkeit seine Zivilwirtschaft auf Kriegswirtschaft umstellt und nicht erwartet werden kann, dass nach einer Beendigung des Krieges mit der Ukraine eine Rückumstellung erfolgen wird. Nach der Einschätzung von Herrn Prof. Dr. Neitzel wird der Zivilgesellschaft, insbesondere im Rahmen der Europäischen Union, nur ein Zeitraum von 6 Jahren bleiben, um dieser industriellen Produktion von Kriegsgütern Russlands etwas entgegensetzen zu können.
Zum Abschluss führte Herr Prof. Dr. Neitzel aus, dass es der Politik klar sein bzw. klar gemacht werden muss, wenn sie zum Beispiel in Litauen eine Brigade mit bis zu 5.000 Soldatinnen und Soldaten aufstellt und diese nicht mit der aktuell dringend notwendigen Ausrüstung ausstattet, im Falle von kriegerischen Auseinandersetzungen dies Soldatenleben kosten werde. Politiker, die heute keine Entscheidung in diesem Zusammenhang treffen, tragen dann die Verantwortung für diese toten Soldatinnen und Soldaten.
Nach diesem zeitlich und inhaltlich perfekt und präzise getätigten Vortrag von Herrn Prof. Dr. Neitzel entspannte sich sodann eine sehr lebhafte Diskussion mit den Teilnehmern des 74. Panzerschoppens.
Hervorzuheben sind hier die Wortbeiträge von Herrn General a.D. Friedrich von Senden, dem Offizier a.D. und Militär-Journalisten beim Spiegel Rüdiger Lentz und Oberst d.R. Oliver Dellschau, die den qualitativ sehr hochwertigen Vortrag von Herrn Prof. Dr. Neitzel auf identischer Qualitätsebene ergänzten.
Wir konnten Herrn Prof. Dr. Neitzel das Versprechen abnehmen, möglichst im Jahr 2024 mindestens noch einmal zu einem weiteren Vortrag dem Panzerschoppen zur Verfügung zu stehen.
Ergänzend finden Sie hier auch einen Beitrag von Herrn Prof. Dr. Neitzel aus der FAZ: dies ist quasi eine Zusammenfassung aller Inhalte des Vortrages am 06.12.2023 beim Berliner Panzerkreis.
Von: Thomas Jakstadt und Oliver Dellschau